BANKINGNEWS: Seit September 2017 sind Sie Vorstandsvorsitzender der apoBank und haben heute vor Medienvertretern die Zahlen für das abgelaufene Geschäftsjahr vorgestellt. Fassen Sie die wichtigsten Eckdaten doch bitte für unsere Leser noch einmal kurz zusammen.
Ulrich Sommer: Wie geplant haben wir einen stabilen Jahresüberschuss nach Steuern in Höhe von 61,9 Millionen Euro erreicht. Dies bewegt uns dazu, dass wir der Vertreterversammlung eine Dividende von vier Prozent vorschlagen werden, um unsere Genossenschaftsmitglieder am Erfolg zu beteiligen. Dies ist im aktuellen Umfeld sicherlich keine Selbstverständlichkeit. Des Weiteren haben wir es geschafft, das Neugeschäft bei Existenzgründungsfinanzierungen um fast 20 Prozent zu steigern, das Anlagegeschäft mit Privatkunden und institutionellen Kunden zu stärken und den Ausbau des Firmenkundengeschäfts voranzutreiben. Auch bei den Kunden- und Mitgliederzahlen konnten wir einen Zuwachs verbuchen und zählen heute über 436.260 Kunden, davon 111.494 Mitglieder.
„Wir wollen Gesundheit ermöglichen“
Sie haben in der heutigen Pressekonferenz die Abkehr vom reinen Produktvertrieb angesprochen. In vielen Instituten ist gesamtbedarfsorientierte Beratung in meinen Augen jedoch immer noch eine leere Worthülse. Wie sieht es bei der apoBank aus?
Wir haben vor einiger Zeit intern einen Beratungsansatz aufgesetzt, welcher ein zweistündiges Gespräch mit dem Kunden beinhaltet, in dem seine persönliche Situation – nicht nur seine finanzielle – besprochen wird. Anschließend wird die Vermögenssituation hinzuaddiert. Der 360-Grad-Anlagemanager ist eine Erweiterung dieses Modells, in dem wir auf die Bedürfnisse des Kunden schauen: „Was möchtest du mit der Kapitalanlage in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren erreichen? Wie ist deine familiäre Situation und wie wirkt sie sich darauf aus?“ Aus diesen Ergebnissen generieren wir die passenden Anlageprodukte. Das positive Vertriebsergebnis ist unter anderem auf diesen Beratungsansatz zurückzuführen. Es widerspricht sich also nicht, ein gutes Ergebnis zu erzielen und dennoch keinen Produktvertrieb zu machen. Das ist unser Ansatz, den wir weiter verfolgen und ausbauen werden.
Im Ausblick für das Jahr 2018 sprachen Sie davon, dass Ihre Bank in Zukunft das Geschäftsfeld Consulting stärker ins Auge fassen möchte. Was ist damit gemeint?
Zunächst werden wir daran arbeiten, unsere Marktführerschaft bei Existenzgründungsfinanzierungen von Heilberuflern weiter auszubauen. Diesen Kunden wollen wir aber darüber hinaus auch bei praktischen Fragen rund um die Praxis- oder Apothekengründung zur Seite stehen. Ein spezifischer Beratungs- und Finanzierungsbedarf besteht ebenfalls bei größeren medizinischen Versorgungs- oder Ärztezentren. Auch diesen Bedarf möchten wir über unsere Beratungsspezialisten und unser Netzwerk abdecken, welchem etwa Steuerberater und Medizinrechtsanwälte angehören. Unser Anspruch für die Zukunft lautet: „Wir wollen Gesundheit ermöglichen.“ Und um diesem Anspruch gerecht werden zu können, wollen wir uns an der Schnittstelle von Gesundheits- und Finanzmarkt breiter aufstellen. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg ist der Aufbau eines Digital-Health-Kompetenzzentrums, in dem wir alle Themen rund um die Digitalisierung im Gesundheitsmarkt bündeln werden. Um adäquat auf den Wettbewerb antworten zu können, müssen wir über den Tellerrand unseres tradierten Geschäftsmodells hinausschauen. Das heißt, dass wir für unsere Kunden auch Angebote jenseits von Finanzierung und Vermögensberatung erarbeiten wollen.
Müssen Sie einen Umbau der Mitarbeiterstruktur hinsichtlich Qualifikationen und Berufsbildern anstreben, wenn Sie stärker als ganzheitliches Beratungshaus für Heilberufler auftreten wollen?
Unser Haus besteht heute schon im Wesentlichen aus Experten für unsere Kundengruppe und für den Gesundheitsmarkt. Aber sicherlich werden in Zukunft auch neue Mitarbeiter mit einer entsprechenden beruflichen Ausrichtung hinzukommen, damit wir dem gesteckten Ziel gerecht werden können. Außerdem werden wir die Weiterbildung und Qualifizierung, vor allem im Vertrieb und in der Beratung, forcieren.
„Know your customer“ ist nicht nur im Kampf gegen Geldwäsche wichtig, sondern ein guter Rat an jedes Unternehmen. Welchen Nutzen zieht die apoBank daraus, als Spezialbank eine so klar definierte Kundengruppe zu haben?
Das ist ein sehr hoher Nutzen. Dadurch dass wir einen Marktanteil bei Existenzgründungsfinanzierungen im Heilberufesektor von etwa 50 Prozent haben, verfügen wir über eine signifikante Kenngröße von Daten. Mit den Erkenntnissen aus diesen Daten können wir dem Arzt in der Phase der Existenzgründung viele Fragen beantworten: „Ist die Praxis an diesem Standort lukrativ oder nicht? Wie muss sie ausgestattet sein, damit sie lukrativ ist?“ Das ist bei einem Geschäftsmodell mit dieser starken Fokussierung in Deutschland nur unserer Bank möglich. Wir kennen die Bedürfnisse und die Struktur unserer Kunden sehr genau, weil wir diese hohe Signifikanz bei der Existenzgründungsfinanzierung haben. Alle betriebswirtschaftlichen Kennziffern aus unserem Datenbestand nutzen wir auch in der Beratung unserer Kunden. Das werden wir in Zukunft zum Nutzen unserer Kunden noch deutlich stärker ausbauen.
„Wir eröffnen keine eigenen Praxen“
Einige Medien titelten kürzlich, dass die apoBank nun eigene Arztpraxen eröffnen wolle. Heute haben Sie diese Aussage noch einmal ein wenig geradegerückt. Wie lautet denn Ihr Plan in dieser Hinsicht?
Unsere Vision von einem möglichen Modell sieht folgendermaßen aus: Es ist denkbar, dass wir als apoBank die Räumlichkeiten für eine Praxis an einen Arzt vermieten. Nach einem modularen System kann der Arzt dann entscheiden, ob er weitere Leistungen hinzufügen möchte, wie etwa Inventar, Software oder Personal sowie den gesamten damit verbundenen Verwaltungsaufwand. Somit kann er sich ganz auf seine Kernaufgabe, die Behandlung seiner Patienten, konzentrieren. An dieser Stelle möchte ich noch einmal klarstellen, dass wir keine „Franchise-Praxen“ eröffnen möchten, wie es mitunter in der Presse dargestellt wurde. Das Ziel hinter dieser Idee wird immer sein, jungen Ärzten eine Hilfestellung auf dem Weg in die Existenzgründung zu geben.
„Filialmodelle verändern sich“
Kommen wir zu Ihren eigenen Filialen: Das Filialnetz deutscher Banken hat sich in den letzten 20 Jahren nahezu halbiert. Weitere Schließungen wurden angekündigt, andere Banken halten an ihnen fest. Wie schaut die apoBank auf die allgemeine Filialdiskussion?
Filialmodelle werden sich in den kommenden Jahren verändern. Und auch wir machen uns Gedanken dazu, welche Konzepte den Anforderungen der Kunden gerecht werden. Dazu gehört, dass nicht alle Filialen gezwungenermaßen mit den aktuellen Konzepten beibehalten werden. Hinzu kommt, dass wir die mobilen Beratungsteams, welche heute bereits im Einsatz sind, weiter ausbauen werden.
„Es wird über Digitalisierung viel geredet, aber zu wenig gehandelt“
Die apoBank unterstützt Start-ups im digitalen Gesundheitsmarkt. Welche Trends gibt es momentan in diesem Bereich?
Das würde ich weniger als Trend, sondern als langfristige Entwicklung bezeichnen: Viele Start-ups haben den Anspruch, alle Prozessschritte zu digitalisieren, die digitalisierbar sind. Im Wesentlichen sind es zurzeit mannigfache Systeme im Bereich der präventivmedizinischen Untersuchungen oder der Rehabilitationsmöglichkeiten. Dort werden etwa Bewegungsabläufe von Patienten in der Reha-Phase digital dargestellt. Sie kennen sicherlich auch die Behandlung von Strabismus, also des Schielens, durch das Abkleben eines Auges bei Kindern. Als Alternative hierfür wurde eine App entwickelt, die es in spielerischer Art und Weise schafft, die Fehlstellung der Augen in viel kürzerer Zeit zu beheben. Das sind im Grunde einfache Methoden, die eine enorm hohe Wirkung erzielen. Und es lässt sich in der gesamten Bandbreite der Behandlungsmethoden beobachten. Ein weiteres Beispiel ist eine App, die ein Orthopäde entwickelt hat: Der Patient lädt seine Patientendaten über eine Bluetooth-Schnittstelle auf sein Smartphone und hat sie so jederzeit verfügbar. Unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes müssen solche Services natürlich zuvor genau geprüft werden. Aber wenn der Patient sich dazu entscheidet, diesen Service zu nutzen, hat er prinzipiell die Möglichkeit, die Schnittstelle bei einem anderen Arzt wieder zu öffnen und die Informationen schnell und einfach nutzbar zu machen. Ich wünsche mir, dass solche Themen aus regulatorischer Sicht aktiv angegangen werden, um solch nützliche Dienste unter der Berücksichtigung des Datenschutzes umsetzbar zu machen – und zwar für alle Patienten. So kann vermieden werden, dass lediglich einzelne Ärzte in einem kleinen Netzwerk einen solchen Austausch vornehmen. Diese Entwicklungen beobachten wir und wollen sie in Zukunft aktiv vorantreiben.
Auch wenn die Einheitsversicherung im Koalitionsvertrag nicht auftaucht, wird sie spätestens im nächsten Wahlkampf wieder auf den Tisch kommen. Wie bewerten Sie dieses Thema bezüglich Ihrer Kundengruppe?
Für unsere Kunden würde eine Bürgerversicherung auf den ersten Blick mit Ertragseinbußen einhergehen. Aber das weiß man immer erst hinterher. Persönlich glaube ich, dass der Patient heute, vor allem im präventivmedizinischen Bereich, sehr viel Eigeninitiative aufbringt. Das Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung ist viel stärker geworden. Vor diesem Hintergrund werden wir höhere persönliche Ausgaben außerhalb des GKV-Bereichs sehen, welche die Gesundheitsindustrie weiter nach vorne bringen. Ob eine Bürgerversicherung nur negative Folgen für die Heilberufler mit sich bringen würde, vermag ich nicht zu prognostizieren.
Bei den GroKo-Verhandlungen ging es in Bezug auf Gesundheitspolitik vor allem um den Umbau des Gesundheitswesens. Welche Themen haben Sie in dieser Diskussion vermisst?
Es wird über Digitalisierung in Deutschland viel geredet, aber zu wenig gehandelt. Dieses Thema wurde für mein Verständnis nicht deutlich genug herausgestellt. Digitalisierung treibt den Markt. Allerdings ist der einzelne Arzt mitunter viel weiter als das System oder der Staat. Wenn da nicht ein Quantensprung nach vorne gemacht und Dinge, die heute bereits Realität sind, mit einbezogen werden, dann läuft man der Entwicklung hinterher und wird irgendwann enorme Nachteile haben. Viele Jahre hat man über Themen wie das E-Rezept oder die elektronische Patientenakte diskutiert. Das E-Health-Gesetz hat etwas Bewegung gebracht, doch es braucht mehr Tempo. Eine übergeordnete Digital-Health-Strategie mit klaren und transparenten Leitplanken könnte den Prozess beschleunigen. Der einzelne Heilberufler würde sicher von einem gesamthaften Konzept profitieren, in dessen Entwicklung die Standesorganisationen und Politik gleichermaßen eingebunden werden.
„Unsere Entscheidung ist keine Abkehr vom genossenschaftlichen Verbund“
Wo wir gerade von Digitalisierung sprechen: Welche digitalen Projekte plant die apoBank?
Es gibt beispielsweise die Überlegung, weitere eigene Apps zu entwickeln. Das haben wir in der Vergangenheit bereits getan und mit „Lass mal kreuzen“ eine Lern-App für Medizinstudenten herausgebracht. Diese war vor allem dazu geeignet, eine Beziehung zu dieser Kundengruppe zu generieren. In Zukunft wird es im Kern darum gehen, digitale Dienstleistungsangebote aufzubauen, wie etwa unseren Chatbot, der Existenzgründer begleitet. Der niedergelassene Arzt kann über diesen Service abrufen, was er für sein Vorhaben benötigt und wie der Gründungsprozess abläuft. Dieser Service macht gerade die ersten Gehversuche. Ein weiterer Schwerpunkt wird sein, das angesprochene Digital-Health-Kompetenzzentrum aufzubauen.
Diese digitalen Projekte werden Sie in Zukunft mit einem neuen Kernbanksystem ausführen. Was sind die Gründe für die Migration?
Wir standen vor der Situation, dass wir durch den Zusammenschluss von Fiducia und GAD ohnehin auf ein neues System migrieren müssen. So ist die Situation entstanden, dass wir ein System gesucht haben, das auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten ist. Als EZB-beaufsichtigtes Institut – Schlagwort IFRS – haben wir auch auf regulatorischer Seite besondere Voraussetzungen und Anforderungen. Außerdem weicht unser Geschäftsmodell von anderen Mitgliedern im Verbund ab. Daher brauchen wir eine deutlich höhere Flexibilität. Diese erhoffen wir uns von Avaloq. Unsere Entscheidung ist aber keine Abkehr vom genossenschaftlichen Verbund. Wir fördern und stützen ihn überall dort, wo es geht. Wir werden beispielsweise weiterhin die Steuerungsplattform parcIT betreiben. In diesem Fall haben wir eine gute Plattform. Warum sollen wir sie austauschen? Die Anforderung wird sein, diese Plattform an unser neues System anzuschließen. Das ist ein klares Bekenntnis zum genossenschaftlichen Verbund, mit dem wir den Verbundgedanken stärken wollen.
Viele andere Banken beobachten diesen Schritt sehr genau. Ist es vorstellbar, dass Sie dieses bei erfolgreicher Umsetzung für andere öffnen, etwa in Form eines White-Label-Ansatzes?
Nein, für uns ist das kein Thema. Das ist auch gar nicht unsere Aufgabe. Wir konzentrieren uns auf unsere eigenen Bedürfnisse, die in dieser Konstellation erfüllt werden, und arbeiten an anderen Stellen weiterhin mit dem Verbund zusammen.
„Die Genossenschaft ist nicht nur eine Rechtsform, sondern eine Philosophie“
Sie betonen die Zugehörigkeit zum Genossenschaftsverbund, innerhalb dessen die apoBank das größte Institut ist. Inwiefern beeinflusst der Genossenschaftsgedanke Ihr Haus?
Für uns ist er mehr als eine Gesellschaftsform. Für uns ist der genossenschaftliche Gedanke auch in Bezug auf unser Geschäftsmodell sehr wichtig, welches wir als eine Art Kreislauf ansehen. Wir finanzieren die Existenzgründung junger Ärzte und betreuen die Altersvorsorge von bereits im Beruf befindlichen Kollegen. Ärzte, die bereits in einer Tätigkeit sind, erwerben Genossenschaftsanteile und geben uns somit das Eigenkapital, um wieder das neue Finanzierungsgeschäft der nachwachsenden Generation generieren zu können. Das ist für uns ein ganz wichtiger Gedanke. Die Genossenschaft ist nicht nur eine Rechtsform, sondern eine Philosophie.
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