„Verluste entstehen durch zu wenig Kommunikation“

Andreas Glaser, Chief Financial Officer bei der Santander Consumer Bank AG, im Gespräch mit Thomas Friedenberger und Thorsten Hahn über das Retailgeschäft, die Profitabilität einer Bank, Plattformen und abgebaute Zwischenwände in der Zentrale.


Im Gespräch mit Andreas Glaser. Er ist CFO bei der Santander Consumer Bank AG

BANKINGNEWS: Herr Glaser, die Santander Consumer Bank AG hat über 200 Filialen. Andere schließen, Sie haben aufgebaut. Wie erfolgreich sind Sie damit?

Andreas Glaser: Wir sind erfolgreich, das zeigen die Geschäftszahlen. Wir bauen unsere Filialen zwar auf, aber nicht in der Anzahl, die wir durch den Zusammengang der Santander Bank und Santander Consumer Bank tatsächlich reduziert haben. Was wir gemacht haben: Wir haben unsere 210 existierenden Filialen auf- und ausgebaut. Das heißt, wir bieten mittlerweile alle Produkte in den Filialen an.

Alle Produkte in allen Filialen?

Ja, ganz genau. Das heißt, sowohl den Immobilienkredit als auch das Wertpapierberatungsgeschäft, die Konsumentenfinanzierung, Girokonten, Kreditkarten, das alles bieten wir an. Wir haben ein gutgehendes Geschäftsmodell. Das ist, glaube ich, die Grundlage für erfolgreiches Banking.

Das Geschäftsmodell würden Sie wie beschreiben?

Wir haben die vier Geschäftsfelder Mobilitäts-, Direkt- und Konsumgütergeschäft und Business & Cooperate Banking. Im Mobility arbeiten wir mit über 16.000 Autohäusern zusammen und bieten dort Finanzierungen an. Vom direkten Kreditkauf über Leasing-Produkte, aber auch Händlerfinanzierungen und Import, das läuft sehr gut. Wir sind 2019 mit der Hyundai Capital Bank Europe eine Kooperation mit einer 51-prozentigen Mehrheit eingegangen. Das stärkt uns auch, um weiter stabil zu bleiben.

„Wir sind sehr froh über die Kooperation mit Tesla“

Obwohl der Mobility-Bereich insgesamt ja eher schrumpft.

Der Mobility-Bereich und seine Händler verändern sich. Durch Konsolidierungen entstehen mehr größere und dadurch weniger Händler. Aber wir sehen, dass Hersteller auch direkte Vertriebskanäle ohne Händler wählen, zum Beispiel Tesla. Deswegen sind wir sehr froh über die Kooperation mit Tesla. Das ist sehr interessant für uns, um auch in Zukunft profitabel zu sein.

Das war Geschäftsbereich eins.

Genau. Wir haben vier ausgewogene Bereiche und dieser spiegelt ungefähr die Hälfte unseres Geschäfts. Wir bieten auch Konsumentenfinanzierungen an. Das heißt, auch bei Händlern außerhalb des Mobility-Bereichs haben wir Kooperationen. Wenn Sie bei MediaMarkt oder Saturn eine Finanzierung abschließen, könnte es sein, dass sie aus unserem Haus kommt. So geht es auch über andere Hersteller und Händler, etwa aus dem Küchenbereich.

Das war Nummer zwei der Geschäftsfelder.

Ja, wir haben noch zwei weitere. Das Direktgeschäft ist bei uns sehr groß. Die Filialen haben wir angesprochen. Wir sind mit 210 Standorten in ganz Deutschland vertreten. Natürlich ist NRW für uns ein großer Markt, da auch die meisten Menschen hier wohnen. Außerdem kommt bei uns das Onlinegeschäft dazu und wir bieten unsere Produkte auch über Plattformen an.

Über Vergleichsplattformen?

Ja, CHECK24 ist so eine typische Vergleichsplattform, aber auch im Immobilienbereich bei Baufinanzierung werden Sie uns finden. Wir haben den Vertriebsansatz Omnichannel. Wir sprechen unsere Kunden dort an, wo sie uns erwarten. Wir sagen nicht mehr „Komm in die Filiale“. Wir werden uns komplett umstellen und uns nach den Kunden richten.

50 Prozent Mobility. Also teilen sich die anderen drei Bereiche die andere Hälfte. Wie hoch ist das Direktgeschäft über die Filiale?

Das ist der Großteil. Das Filialgeschäft ist sehr wichtig für uns, weil es ein integrierter Bestandteil ist. Unsere Kunden nehmen verschiedene Vertriebswege in Anspruch. Uns ist aber nicht wichtig, welchen er nimmt, sondern uns ist der Kunde selbst wichtig. Und wenn er den persönlichen Kontakt will, kann er in die Filiale kommen.

Omnikanal-Banking ist ein Buzzword, aber viele Banken können die Kommunikationskanäle noch immer nicht synchronisieren. Wenn ein Berater eine WhatsApp-Nachricht bekommt, weiß die Bank das ja nicht.

Das konnten wir vor einigen Jahren auch noch nicht und das ist natürlich auch etwas, das sich entwickelt. Wenn Sie sich unsere Historie anschauen, dann können Sie sich vorstellen, dass viele Kanäle, auch die IT-Systeme, separat waren. Aber wir haben das mittlerweile komplett vereint mit dem „Project One“.

Was umfasste „Project One“?

Das One stand für „One Santander in Deutschland“. Wir haben dafür gesorgt, dass wir alle Kanäle bespielen. Die Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten: Der Kunde kann viel von Zuhause oder unterwegs machen und das bedienen wir. Aber es gibt gewisse Dinge, die kann oder will er nicht von Zuhause aus machen, und dann kommt er eben in die Filiale. Wir glauben, dass wir da sehr gut aufgestellt sind und investieren auch weiterhin in unsere Filialstruktur, weil es für uns Teil der Kundenerfahrung ist, dort zu sein, wo der Kunde ist.

Aber im Firmenkundengeschäft nimmt man Santander nicht so wahr, oder?

Das würde ich so nicht sagen. Wir haben es erst vor ein paar Jahren aufgebaut, und zwar komplett organisch. Uns nimmt man mittlerweile sehr wohl wahr und es gibt viele deutsche Firmen, die etwa eine Exportfinanzierung benötigen. Ein klassischer Markt für uns ist natürlich Südamerika – also die deutsche Industrie, die dort agiert. Sie ist mit uns als Kooperationspartner gut aufgehoben, denn wir können von Zahlungsverkehr bis Währungsderivate alles anbieten. Und ich weiß, dass sich viele deutsche Geldhäuser aus dem Segment in den letzten Jahren zurückgezogen haben, weil sie den Markt nicht so bedienen können, wie sie das wollten. Da haben wir natürlich einen Vorteil. Denn wir werden in Südamerika fast schon als lokale Bank wahrgenommen.

„Deutschland ist einer der kompetitivsten Märkte weltweit“

Ihr zweiter Bereich ist das Retailgeschäft. Sie haben hier eine Nische mit Konsumentenfinanzierung, aber auch starke Wettbewerber mit der TARGOBANK und BNP Paribas. Ist das ein angenehmer Markt?

Das ist ein sehr umkämpfter Markt, ganz klar. Aber wir haben da gute Vergleiche in unserer Gruppe. Und wir sehen, dass Deutschland einer der kompetitivsten Märkte weltweit ist. Das hat auch mit der Anzahl der Banken zu tun. Dass man hier trotzdem mit einem effizienten Geschäftsmodell sehr gut Geld verdienen kann, zeigen unsere Ergebnisse.

Bei Ergebnissen sollten wir auch über Kapitalmarkt und Nullzins sprechen.

Ja, das ist durchaus interessant. Wir leben jetzt schon seit einiger Zeit mit negativen Zinsen. Das ist herausfordernd, sicherlich. Und klar ist, die Margen wären höher, wenn wir ein höheres Zinsumfeld hätten.

„Unsere Cost-Income-Ratio ist in den niedrigen ‚50ern‘“

Wie hoch ist Ihre Cost-Income-Ratio?

Die Cost-Income-Ratio ist in den niedrigen „50ern“ – das ist für Deutschland schon sehr gut. Aber unsere Ambitionen sind, noch besser zu werden, kein Zweifel. Trotzdem geben wir keine negativen Zinsen an Kunden weiter und ich sehe auch nicht, dass wir das tun werden.

Das haben andere auch schon gesagt.

Sagen wir so: Wenn sich der Markt dahin entwickelt, werden wir entsprechend reagieren. Im Moment sehe ich das nicht. Es gibt einzelne Häuser, die das tun, anscheinend weil sie es tun müssen. Die Entscheidung hängt immer davon ab, welchen Hintergrund man als Bank hat. Ist man allerdings eine typische Liability Bank, bekommt man Einlagen und schaut dann, was man damit macht, um profitabel zu sein.

Sie haben eine Anleihe begeben, die war tatsächlich überzeichnet.

Ja, sie war in der Tat überzeichnet. Unsere Strategie ist, immer eine Diversifikation in den Refinanzierungsquellen zu haben. In Deutschland agieren wir komplett eigenständig. Von der Gruppe bekommen wir ausschließlich das Eigenkapital und wir refinanzieren uns auch unabhängig, unter anderem über Kundeneinlagen. Aber wir haben auch das Kapitalmarktgeschäft und da ist es so, dass die Indexraten negativ sind. So können wir uns natürlich attraktiv refinanzieren. Wir geben klassisch auch Anleihen heraus – da sind wir sehr aktiv auf dem europäischen Kapitalmarkt. Und wo wir sehr stark sind, ist im ABS-Geschäft. Wir bündeln unsere Konsumenten- und Autokredite und geben davon ABS-Anleihen heraus. Bisher haben wir über 50 Transaktionen in Deutschland gemacht. Ich glaube, so viel hat noch kein anderes Institut verbrieft.

Und in der Baufinanzierung?

Wir haben seit ein paar Jahren die Pfandbrieflizenz und sind in der Lage, für unser Baufinanzierungsgeschäft eine adäquate Refinanzierung darzustellen. Baufinanzierung ist derzeit sehr engmargig. Da ist es schwierig, ohne Pfandbrieflizenz Profitabilität aufzubauen. Wir haben die 500-Millionen-Benchmark-Anleihe begeben und hatten Nachfragen von 2,2 Milliarden Euro im Hoch. Das ist für ein Haus unserer Größenordnung schon sehr gut. Wir sind zwar von den Volumina her – mit einer Bilanzgröße zwischen 40 und 50 Milliarden Euro – nicht unter den Top 5 in Deutschland, aber durch unsere diverse Struktur sind wir in allen Märkten tätig. Somit haben wir die direkte Konkurrenz von Häusern wie der Deutschen Bank oder der Commerzbank. Wir haben es geschafft, eine sehr hohe Nachfrage in unser Buch zu bekommen, was uns natürlich bei der Refinanzierung hilft.

Wer fragt das nach?

Das sind sowohl Banken als auch Assetmanager, hauptsächlich institutionelle Kunden. Aber bei einem Pfandbrief sind auch Zentral- oder Förderbanken dabei, das ist ein breites Spektrum. Ähnlich ist es bei unseren ABS-Anleihen, da haben wir sehr viele Assetmanager im Buch. Es ist für uns das Fundament, um profitabel zu sein. Denn Profitabilität hängt nicht nur davon ab, wie ich Kredite herausgebe, sondern auch Liquidität aufnehme. Wenn der Vertrieb sehr gut läuft, wir uns aber zu teuer refinanzieren, nützt der ganze Vertriebserfolg nichts, denn dann arbeitet die Bank auch nicht profitabel. Wir versuchen, das im Einklang zu haben und uns am Kapitalmarkt mit negativen Zinsen zu refinanzieren. So können wir unsere Marge halten.

Wir haben über 40 Bankvorstände interviewt – auch zum Thema Innovation. Was sind innovative Themen in der Finanzabteilung Ihrer Bank?

Ein Thema wäre: Wie können wir am Kapitalmarkt unsere Transaktionen effizienter abwickeln? Ich bin sicher, dass wir sie viel effizienter über Blockchain und digitale Kanäle abwickeln können.

Wie kann Blockchain dabei helfen?

Wir haben so die gleichzeitige Information von allen Transaktionspartnern und eine einheitliche Plattform, über die alles abgewickelt werden kann. Das wird uns bei der Effizienz stark helfen. Erste Transaktionen, etwa bei der LBBW mit dem Mercedes-Benz-Schuldschein, haben wir schon gesehen. Wenn man aber hinter jeden Prozessschritt schaut, wurde jeder auch noch einmal manuell angefasst. Das ist am Anfang immer so. Das können wir viel effizienter machen.

„Ich bin überzeugt, dass die Zahl der Banken stark sinkt“

Sprechen wir über die Zukunft der Bankenwelt: Wie sieht Ihr persönliches Bild da aus?

Ich glaube, dass wir viel mit Neobanken zu tun haben werden. Die Omnichannel-Bank wird meiner Meinung nach aber auch in fünf Jahren noch da sein. Wenn wir es mal statistisch betrachten: Wie viel Filialen hatten wir vor 20, vor zehn Jahren? Und wie viele haben wir heute? Und wie viele in fünf Jahren? Das kann man sicher nicht nur extrapolieren, sondern auch schon absehen. Ich bin sicher, wir werden trotzdem noch Kommunikation mit Kunden auf persönlicher Basis haben. Aber die Bankenwelt wird sich verändern und ich bin überzeugt, dass die Zahl der Banken stark sinkt.

Aber sind die Amazons und Googles dieser Welt nicht die eigentlichen Disruptoren, nicht nur für Technologie im Bankenmarkt, sondern auch für den Kundenzugang? Händlerfinanzierung läuft ja auch über Amazon?

In der Tat, gerade bei Amazon haben die natürlich eigene Finanzierungslösungen. Da wird es als Bank sehr schwer sein hineinzukommen, das ist klar. Aber der Markt ist groß genug. Für uns wird es weiterhin Geschäftsfelder geben, auch wenn sie sich verändern. Denn wir bleiben weiter präsent und werden uns den Gegebenheiten anpassen.

Also gar keine Befürchtung vor Tech-Riesen und Neobanken?

In gewisser Weise haben wir immer Befürchtungen, von allen Seiten (lacht). Wir betrachten alles als Konkurrenz, ob Neobank, klassische Bank, die großen Tech-Firmen oder eine Autobank, jeder ist bei uns auf der Watchlist. Und wir schauen immer, wie wir unseren Stellenwert auch in Zukunft erhalten und Dienstleistungen anbieten können. Kaufen die Menschen in Zukunft noch Autos? Oder wollen sie sich lieber ein Auto leihen, mit Verkauf und Servicing nichts zu tun haben und ein bisschen mehr bezahlen, dafür aber den vollen Service haben? Das glaube ich eher, und diesen Trends müssen wir uns anpassen.

„Wir machen auch Finanzierungen bei Carsharing“

Neue Dienstleistungen, die man auch finanzieren und absichern könnte?

Natürlich, können wir alles. Wir machen auch Finanzierungen bei Carsharing und anderen Modellen. Das sind Finanzierungen, die wir überall dort anbieten, wo der Kunde sie erwartet. Der Kunde wird am Ende entscheiden. Das ist die Transformation, die wir bei Santander in den letzten Jahren gemacht haben. Wir haben den Fokus nur noch auf den Kunden gelegt.

Und wie hat sich Santander intern transformiert? Sitzen die Bankvorstände noch im Elfenbeinturm?

Nein, wir wollen Nähe. Denn wir wollen jedem Mitarbeiter das Gefühl geben, dass er genauso wichtig ist, genauso ein Rädchen ist, wie wir alle hier. Deswegen bauen wir Hierarchien eher ab als auf. Und wir nehmen auch die Grenzen zwischen Bereichen weg, sodass sich Mitarbeiter wirklich committed fühlen.

Wie die abgebaute Zwischenwand hier in der Zentrale?

Genau, das ist ein Symbol dafür, weil wir eben Nähe wollen statt Abstand halten. Nur so kommen wir weiter. Kommunikation ist extrem wichtig. Die meisten Verluste im Unternehmen entstehen durch zu wenig Kommunikation.

Interview: Thomas Friedenberger, Thorsten Hahn

Vorstände im Gespräch: Jetzt reinlesen! Zuletzt erschienen in der Reihe „Vorstände im Gespräch“ sind die Interviews mit Ulrich Voigt, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse KölnBonn, und mit Dr. Reinhard Krafft, Geschäftsführer Rothschild & Co Vermögensverwaltung.