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„Wir profitieren davon, dass die Marke unbefleckt ist“

Ein Gespräch mit Dr. Reinhard Krafft, Geschäftsführer Rothschild & Co Vermögensverwaltung, über stürmisches Wachstum, langfristiges Denken, Disruptionen und warum er nicht auf Twitter ist. Die Fragen stellten Thorsten Hahn und Thomas Friedenberger.


Reinhard Krafft, Geschäftsführer der Rothschild & Co Vermögensverwaltung GmbH

BANKINGNEWS: Es gibt kaum einen traditionsreicheren Namen im Bankensektor als Rothschild. Wie würden Sie die Tradition der Bankiersfamilie Rothschild heute beschreiben?
Reinhard Krafft: Bei Rothschild & Co ist der Markenkern das langfristige und kritische Denken – mit Blick auf die ganze Welt und die einzelnen Sektoren der Wirtschaft. Dieser Gedanke entstammt der langen Historie, die eingebettet ist in große europäische und globale Disruptionen – von Kriegen bis zu Katastrophen. In diesen Disruptionen zu bestehen und weiter zu wachsen ist ein Wert, den die Familie verkörpert und ihren Kunden weitergibt. Kritisches und langfristiges Denken, das ist sicher der Markenkern, um den es geht.

Ihr Unternehmen ist mehrheitlich im Besitz der Familie. Fungiert „Rothschild“ heute als Türöffner zu den Vermögenden in Deutschland?
Ein wichtiger Türöffner ist die lange Historie. Über die gesamte Zeit die Familie zusammengehalten und das Geschäft immer wieder neu aufgebaut zu haben, spricht Kunden an. Wir profitieren sehr davon, dass unsere Marke unbefleckt ist. Das heißt, unsere Marke steht für Integrität und das Haus Rothschild & Co genießt hohes Ansehen. Daneben ist zentral, dass wir mit unseren Leistungen unser Kundenversprechen auch einlösen.

„Die großen Themen sind auch Fragen rund um das Niedrigzinsumfeld“

Sie sind Head of Private Wealth Germany: Welche Fragen stellen Ihnen vermögende Menschen in Deutschland derzeit besonders oft?
Die großen Themen sind Fragen rund um das Niedrigzinsumfeld und die wirtschaftliche Weiterentwicklung. In diesem Zusammenhang auch Fragen nach einer Neuaufstellung der deutschen Wirtschaft: Was sind die nächsten industriellen Treiber im Land? Welche Innovationen sind in Zukunft entscheidend? Das sind Fragen, die Unternehmerfamilien derzeit umtreiben.

Wodurch unterscheidet sich Ihr Haus von Wettbewerbern wie UBS, Flossbach von Storch, Julius Bär oder Goldman Sachs?
Es gibt viele Unterschiede. Es war beispielsweise eine „bahnbrechende“ Maßnahme der Bankenbranche, Benchmarks einzuführen. So wurde nicht mehr die Frage gestellt: Was hast du für die Familie geliefert? Sondern: Bist du vor dem DAX oder dahinter? Es gibt Benchmarks, aber sie sind bei uns kein treibendes Kriterium für die Frage, wie wir Portfolios zusammenstellen. Das ist in vielen Teilen der Bankenbranche anders. Unser Anspruch ist es, langfristig eine anständige Rendite zu erwirtschaften – nach unserem Verständnis geht das nicht, wenn wir uns rein an der Benchmark entlanghangeln. Wir sind überzeugt: Stattdessen müssen Einzelindustrien analysiert werden, um zu erkennen, welche Branchen ihr Geschäftsmodell gerade ändern.

Sie versprechen einen „langfristigen Kapitalerhalt nach Kosten, Steuern und Inflation“. Wie machen Sie das angesichts des Niedrigzinsumfelds?
Im Hause Rothschild & Co denken wir immer an den Nutzen von Produktionskapital. Unsere Anlagestrategien waren tendenziell immer Equity-lastiger als bei anderen. Unabhängig vom aktuellen Konjunkturzyklus hat der Kunde dadurch Produktionskapital und ist an Geschäftsmodellen beteiligt und nicht abhängig davon, dass der Gläubiger sein Geld zurückzahlt. Dadurch kann ein erheblicher Mehrwert geschaffen werden. Insbesondere weil wir versuchen, Fehler zu vermeiden – auch in Zeiten einer Baisse. 2008 war vielleicht eine etwas andere Situation, weil zu diesem Zeitpunkt wirkliche Verwerfungen zu sehen waren: Hier haben wir nicht nur aufgrund unserer Branchenselektion, sondern auch dadurch, dass wir Aktien verkauft haben, eine bessere Entwicklung als unsere Benchmark-Indizes und Mitbewerber realisiert. Generell gilt für unsere Portfolios: Auch bei breiten Kursverlusten sind sie auf Basis ihrer hohen Qualität schneller wieder über der Nulllinie als vergleichbare Investments.

Ihr Unternehmen hat 2018 neben Frankfurt eine zweite Dependance in Düsseldorf aufgebaut und das Team verstärkt. Zeigen sich bereits erste Erfolge?
Das Düsseldorfer Büro haben wir wegen des Teams eröffnet – nicht um unbedingt am Standort Düsseldorf zu sein. Dieses Team bringt natürlich eine Nähe zur Rhein-Ruhr-Region mit sich, aber in erster Linie lag die Entscheidung in der gemeinsamen Einstellung und Philosophie des neuen Teams und der Art der Zusammenarbeit mit Kunden begründet. Wir sind mit der bisherigen Entwicklung sehr zufrieden.

Das heißt, es gab keine Dependancen-Expansionsstrategie, sondern die Strategie, gute Köpfe ins Unternehmen zu holen. Findet man die denn?
Ja, die findet man. Der Bankenmarkt in Deutschland ist gut. In vielen Banken gibt es Menschen, die die Philosophie einer intensiven Kundenbeziehung verstehen. Solche Leute müssen wir suchen. Das Umfeld „Rothschild & Co“ und die Möglichkeit, unter solch einer Marke arbeiten zu können, ist für viele wieder ein Anreiz geworden.

Ihre Gruppe erzielt weltweit einen Umsatz von rund zwei Milliarden Euro und hat hierzulande die Vervierfachung des betreuten Vermögens innerhalb von fünf Jahren geschafft. Wie geht es weiter?
Die Komplexität rund um unsere Kerndienstleistungen bietet ein großes Spektrum an Betätigungsmöglichkeiten, also etwa die Fragen: Wie stellt man sich auf? In welche Assets diversifiziert man? Macht man Family Governance? Das ist ein absolut interessanter und wachsender Markt.

„Zu sagen ‚Digitalisierung wird bei uns nicht stattfinden‘ wäre hochnäsig“

Sehen Sie eine neue Konsolidierungswelle oder denken Sie, dass eher neue Player auf den Markt kommen werden?

Ich glaube, wir werden schon allein aufgrund der ökonomischen Zwänge eine weitere Konsolidierung in der Bankbranche sehen. Die Zahl der Bankfilialen, Regulatorik, Disruptionen, IT – all diese Themen führen zu Veränderungen der Struktur des Bankenmarkts. In unserem Segment gilt: Wir sind Spezialisten. Wir bieten Leistungen für eine ganz spezielle Kundengruppe. Das ist ein attraktiver Markt und gerade hier gilt: Konkurrenz belebt das Geschäft und sorgt dafür, dass wir uns stetig verbessern.

Alle Banken und Vermögensverwalter reden von Digitalisierung: Wie digital ist Rothschild & Co? Welche Themen stehen bei Ihnen auf der Digital-Agenda?
Die Aussage „Digitalisierung wird bei uns nicht stattfinden“ wäre hochnäsig. Wir fokussieren uns hier eher auf den Bereich Informationsgewinnung, Informationsbeschaffung und Informationsverarbeitung vonseiten des Kunden. Bei uns geht es weniger darum, die Bequemlichkeit einer Transaktion zu steigern. Das Überweisungsgeschäft, das bei Universalbanken stattfindet, betreiben wir in der Form nicht. Das heißt, der Kunde braucht bei uns keine App.

Und was sagen Sie persönlich zum Thema Robo Advisor?
Das, was ich dort im Moment sehe, basiert auf Theorien der 1970er Jahre. Da hat sich im Prinzip nicht viel getan. Das als Heilsbringer zu sehen, nur weil auf einer App die Assets-Allokation eingesteuert werden kann und gehofft wird, dass irgendein statistischer Wert im Forschungstool des Anbieters vor einer Krise alles in Cash umswitcht, wird nicht funktionieren. Insofern bin ich bei dem Thema sehr kritisch.

Aber sind die digitalen Themen nicht auch eine große Chance, junge Menschen an den Aktienmarkt heranzuführen?
Wenn dies so passiert, fände ich das gut. In der von mir betreuten Kundengruppe habe ich das Problem nicht. Aber wenn diese neuen Oberflächen helfen, mehr Kunden für die Aktie zu begeistern, befürworte ich es.

Nochmal zur App. Als Kunde will man doch ein „digitales Cockpit“ seiner Vermögenssituation und zwar zentral in einer App. Gehen Sie nicht das Risiko ein, Kunden an Banken zu verlieren, bei denen dies zum Geschäft gehört?
Nein, das glaube ich nicht – zumindest nicht in unserem Segment. Elektronisch seinen Report zu bekommen, gehört natürlich mittlerweile dazu, aber das heißt noch nicht „App“. Unsere Kunden fragen nicht samstagnachmittags den Gesamtstatus ihres Vermögens ab und am Abend erneut. Von daher ist die Frage, ob man das in einer App abrufen und steuern kann, im echten Wealth Management nicht so relevant. Für den Private-Banking-Markt kann ich mir das jedoch gut vorstellen, denn dort bietet die Möglichkeit, verschiedene Dinge aggregiert darzustellen, einen Mehrwert.

„Nervosität oder Panik führen zu irrationalem Handeln“

Stichwort Mehrwert: Sie haben neben dem Studium und der Promotion zusätzlich die anspruchsvolle Ausbildung zum Chartered Financial Analyst absolviert. Was bringt das dem Banker heute? Würden Sie den CFA als „Karriereschub“ für Young Professionals empfehlen?
Ich bin beim Thema Bildung ziemlich kompromisslos. Mehr ist grundsätzlich immer besser. Meiner Meinung nach ist eine Promotion ein wichtiger Baustein und macht gerade in unserem Feld sehr viel Sinn – besonders in Bezug auf wissenschaftliches Arbeiten. Zusätzlich zum wissenschaftlichen Arbeiten bekommt man im CFA-Programm noch einmal ein fachspezifisches und intensives Training hinzu. Die Prüfungen sind hart und gewisse Durchfallquoten gewollt. Jemand, der das macht, zeigt Interesse, muss sich durchbeißen und hat hinterher Rüstzeug, das er im Berufsalltag einsetzen kann. Und die ethische Komponente dieses Programms darf man nicht unterschätzen, nämlich alle Kunden auf die gleiche Weise zu behandeln und sich jederzeit seiner Verantwortung zu moralischem Handeln bewusst zu sein. Ein Kunde muss sich darauf verlassen können, dass all das, was wir für ihn tun, im Rahmen von hohen ethischen Ansprüchen geschieht.

Alexandre de Rothschild hat in einem Interview gesagt, dass Aktien nicht jedermanns Sache sind. Gerade viele deutsche Anleger scheuen Aktien. Woran genau liegt es?
Vereinfacht gesagt: Weil den deutschen Anlegern beigebracht wurde, dass Aktien volatil und risikoreich sind. Und natürlich ist das auch so. Aber Nervosität oder Panik führen zu irrationalem Handeln. Wenn Panik überhandnimmt, dann werden auch gute Aktien verkauft. Der Anleger nimmt nur noch wahr, dass die Aktien gefallen sind. Der Wert ist jedoch in diesem Moment nicht fair gepreist, sondern ein Panik-Preis, der sich in der langfristigen Entwicklung ganz anders darstellt. Das wird den Anlegern nicht beigebracht.

Worin unterscheidet sich die Vermögensanlage Ihrer Kunden gegenüber weniger vermögenden Menschen?
Bei den Kunden, die ich betreue, hat die Sorge für das Wohlergehen und die Entwicklung des eigenen Unternehmens oberste Priorität. Die Vermögensanlage soll die Familie absichern, aber dennoch hat die Zukunft des Unternehmens meist Vorrang. Unterschiedlich ist sicher die Breite der Diversifikation. Die Kunden schauen sich mehr Assetklassen an und dotieren sie mit größeren Beträgen. Zudem legen sie internationaler an als andere, die vielleicht nur in Deutschland anlegen. Und schließlich ist der Aktienanteil deutlich höher als in anderen Anlegersegmenten.

Um den Bogen zum Anfang unseres Gesprächs zu schlagen: Ist der Name Rothschild auch manchmal eine Bürde?
Diese Frage müssten Sie eigentlich den Familienmitgliedern stellen (lacht). Im Geschäft hier ist es eigentlich eine reine Freude, da der Name positiv belegt ist. Unsere Kunden verbinden ihn mit Werten wie Ehrlichkeit, Verlässlichkeit, Beständigkeit – nennen Sie es ruhig konservativ. Das bedeutet für uns vielleicht auch, dass wir uns nicht unbedacht auf Twitter oder anderen Medien zu allen Themen tagesaktuell äußern.

Warum? Die Erben Ihrer Kunden sind doch auf Twitter, Instagram und Co.
Auf solchen Kanälen kann man natürlich Kapitalmarktentwicklungen kommentieren. Eine Frage des Werts dieser kurzfristig geposteten Information stellt sich aber immer: Was bedeutet es für den Kunden? In einer langfristig orientierten Anlagestrategie sind Social-Media-Kanäle nicht so wichtig. Insofern hat das für uns nicht den Stellenwert wie für andere.

Interview: Thorsten Hahn, Thomas Friedenberger

Infos zu Rothschild & Co

Gründung: 1838
Gründung Investmentbank Deutschland: 1989
Sitz (DACH-Region): Frankfurt
Mitarbeiter (weltweit):
über 3.500
Mitarbeiter (Deutschland):
rund 140
Umsatz 2018 (weltweit):
1,98 Mrd. €

Das Unternehmen Rothschild & Co ist in den Geschäftsbereichen Global Advisory, Private Wealth, Asset Management und Merchant Banking in 40 Ländern tätig. Die Rothschild & Co Vermögensverwaltung hat das betreute Vermögen in Deutschland in den letzten fünf Jahren vervierfacht. Das Team mit rund 30 Mitarbeitern konzentriert sich auf Anlagevermögen von 5 bis 25 Millionen Euro. Der Schwerpunkt liegt auf der Beratung und Betreuung für mittelständische Unternehmer, Inhaberfamilien, Unternehmen und Stiftungen. In Frankfurt ist das Bankhaus Rothschild entstanden und die fünf Pfeile des Firmenlogos symbolisieren die fünf Söhne des Gründers Mayer Amschel Rothschild, die er damals in die verschiedenen Finanzmetropolen Europas schickte, um die internationalen Geschäfte aufzubauen.

Wealth and Asset Management
Assets under Management

(in Milliarden Euro; weltweit) Quelle: Rothschild & Co