„Wir sind die guten Banker‘“ 

Die Wirtschafts- und Infrastrukturbank macht sich stark für Hessen: Judith Mandel gewährt im Interview einen Einblick in innovative Projekte, Kunden-Schmerzpunkte und Startup-Kooperationen bei der WIBank.


BANKINGNEWS: Frau Mandel, nach über 20 Jahren in der LBBW-Gruppe sind Sie nun Mitglied der Geschäftsleitung der WIBank. Wie kam es nach so einer langen Zeit bei einer Landesbank zum Wechsel zur Förderbank? 

Judith Mandel: Ganz klar das Thema „Purpose“ und der Wunsch, mit meiner Arbeit etwas Gutes zu tun. Ich war viele Jahre im Kreditprozess tätig und habe Effizienzprojekte gesteuert, IT-Projekte geleitet, das Risikomanagement neu aufgestellt – immer mit dem Fokus, Kosten zu reduzieren und damit den Gewinn zu erhöhen. Da habe ich viel gelernt, aber nach etwa 20 Jahren kam der Gedanke, dass ich auch etwas Anderes machen könnte. Und da ist eine Förderbank natürlich eine schöne Adresse. Hier geht es vor allem darum, Fördergelder bereitzustellen und Unternehmen, Landwirte, Kommunen und die Bürger in Hessen mit unseren Förderprogrammen zu unterstützen.  

Förderbanken stehen im Ruf, im Gegensatz zu den modernen Geschäftsbanken weniger innovativ und digitalisiert zu sein. Wie sieht das in Hessen aus? 

Wir beschäftigen uns tatsächlich sehr aktiv mit Innovation und Digitalisierung. Bei einer Förderbank denkt man vielleicht eher an Pferdekutsche und verstaubte Akten als an E-Auto oder E-Akte. Innovation und Digitalisierung sind aber sehr wohl allgegenwärtige Themen für uns. Angefangen haben wir, wie viele andere Banken, tatsächlich mit einer E-Akte, um überhaupt mit Digitalisierung beginnen zu können. Wir haben dann schon sehr früh unsere Digitalstrategie entwickelt. Als Förderbank müssen wir unseren Kunden genau den Standard liefern können, den sie auch von einem guten Onlineshop oder ihrem Smartphone kennen, und damit ein digitales Erlebnis bieten. Deshalb haben wir Kundenportale aufgesetzt, um Förderungen digital beantragen und abwickeln zu können.  

Tech-Größen wie etwa Amazon haben Automatisierungsprozesse beim Einkauf längst perfektioniert. Kann man einen Förderkredit auch so intuitiv einfach beantragen, wie einen Buchkauf beim Onlinehändler? 

So einfach leider nicht. Aber wir können anders digital unterstützen. Zum Beispiel mit unserem KI-gestützten Förderfinder, den aktuell unsere Zukunftswerkstatt, unser Innovation Lab, entwickelt. Unsere Kunden wollen sich nicht durch hundert Förderprogramme klicken müssen, um das passende Förderprogramm zu finden. Unser Ziel ist es, den Prozess zu vereinfachen und unsere Zielgruppen digital an die passende Förderung heranzuführen. In kniffligeren Fällen kann sich dann noch eine persönliche Beratung anschließen. Andernfalls geht es nach dem Bot direkt weiter in das Antragsportal. Das ist definitiv ein Weg der Zukunft. 

Des Öfteren werden Fördergelder nicht abgerufen und verfallen. Ist es einfach kompliziert von diesen Förderprogrammen überhaupt zu erfahren oder ist der Bedarf momentan nicht da? 

Förderung ist an sich so angelegt, dass sie dort ansetzt, wo sie benötigt wird. Dennoch kann es passieren, dass die Information über die Förderangebote nicht immer dort landet, wo dieser Bedarf besteht. Daher glaube ich, dass die Informationsvermittlung über die unterschiedlichen Förderprogramme transparenter gestaltet werden muss, damit der Einzelne, unabhängig vom Förderinstitut, das dahintersteht, auch die passende Förderung für sich findet. Heute muss man leider manchmal noch zu lange suchen, bevor man das Richtige findet. Das wollen wir ändern. 

In dem Zusammenhang haben Sie zwei Kundenportale eingeführt. Inwieweit hilft das, Kundenzufriedenheit zu steigern und digitale Angebote schneller an den Kunden heranzubringen? 

Das ist richtig, die WIBank verfügt über ein Kundenportal, das zum Beispiel für die Beantragung von Förderprodukten für die hessische Wirtschaft zur Verfügung steht. Zusätzlich gibt es noch das Agrarportal speziell für die Landwirtschaftsförderung. Die WIBank ist übrigens die einzige Förderbank in Europa, die die EU-Fonds für Landwirte umsetzt. In allen anderen Bundesländern und Ländern ist diese Aufgabe in einer Behörde angesiedelt. Daneben vergibt die Landwirtschaftliche Rentenbank auch Darlehen an die Landwirtschaft. Aber zurück zu den angesprochenen Kundenportalen: Das IT-System bietet unseren Kunden einen großen Mehrwert, weil sie dort ihre Daten einmal eingeben und dann dort auch über die Bewilligung informiert werden. Insofern ist das in puncto Transparenz natürlich ein ganz anderes Erlebnis als früher, als noch Papieranträge verschickt wurden und später dann wiederum per Post der Bescheid zuging.  

Einer der größten Kritikpunkte an Banken ist, dass digitale Prozesse, die leicht umzusetzen wären, in der Bankbranche nur langsam vorankommen. Das beste Beispiel ist der Kreditantragsprozess.  

Man muss dabei aber auch sehen, dass alle etablierten Banken eine gewachsene IT haben – so auch wir. Wenn wir das alles auf der grünen Wiese neu entwickeln könnten, dann wäre das natürlich schöner, digitaler, kundenfreundlicher. Doch in der Realität müssen wir mit dem arbeiten, was wir haben, und uns da dann Stück für Stück in Richtung digitale Zukunft entwickeln. 

Eine fachliche Seitenfrage: Hängt die WIBank am IT-System der Helaba? 

Ein ganz klares jein (lacht). Unsere wesentlichen IT-Systeme, gerade die Kundenportale und unser Kernbanksystem, sind WIBank-Systeme. Das ist auch wichtig, um Förderspezifika berücksichtigen zu können. Wir kooperieren hier mit anderen Förderbanken, um Synergien zu nutzen und Kosten zu sparen. Diese Zusammenarbeit setzen wir zum Beispiel im Rahmen einer Bankenkooperation innerhalb der Weiterentwicklung unseres Kundenportals um.  

Sie haben einen Chatbot gebaut, den sogenannten WIBot. Was kann er? 

Beim WIBot geht es um die Wirtschaftsförderung. Allerdings nicht nur um Produkte, die die WIBank im Portfolio hat, sondern um alles, was in Hessen für Unternehmen verfügbar ist. Dieser Bot hat das Ziel, eine Vororientierung zu geben, um dann in der Beratung, die wir ebenfalls anbieten, über die konkret in Frage kommenden Fördermöglichkeiten zu sprechen. Der Bot klärt mithilfe der Datenbank des Bundesverbandes öffentlicher Banken (VÖB) über alle Fördermöglichkeiten in Deutschland auf der Datenbank des Bundesverbandes öffentlicher Banken (VÖB) über alle Fördermöglichkeiten in Deutschland auf und lotst dann entsprechend nach Investitionsvorhaben, die das Unternehmen angibt, zu den passenden Programmen. Wir prüfen aktuell außerdem, wie wir unseren WIBot und den Förderfinder verbinden können, um zukünftig über ein zentrales Tool Orientierung zu allen Wirtschafsförderprogrammen und dem gesamten WIBank Portfolio anzubieten. 

Vor fünf Jahren haben die Bots letztlich doch noch häufig an die Hotline verwiesen. KI-unterlegte Chatbots scheinen Kunden länger im Gespräch halten zu können. So kommt der Kunde heute deutlich öfter zu einem Ergebnis, oder? 

Hier beobachten wir aktuell tatsächlich eine rasante Weiterentwicklung der technologischen Möglichkeiten, die wir auch in unseren Förderfinder integrieren. Generative KI bietet uns die Möglichkeit, auf Basis unserer Förderrichtlinien vielschichtige Kundenanliegen beantworten zu können, anders als bei regelbasierten Bots. Unser Förderfinder ist dabei sowohl in der Lage, sich an die Art der Formulierungen als auch an die Sprache des Kunden anzupassen und entsprechend Antworten auszugeben. Wir nutzen dabei Technologien, die bisher vor allem im E-Commerce-Kontext genutzt werden. Der große Unterschied liegt hierbei im Aufbau unserer Förderrichtlinien im Vergleich zu stark standardisierten Produktdatenblättern. In diesem Bereich mussten wir die KI noch etwas trainieren. 

Aber kriegt selbstlernende KI das nicht irgendwann hin? 

Genau das ist unser Ziel. Damit die KI zukünftig unsere Richtlinien korrekt interpretiert und die relevanten Fakten für die benötigten Antworten erkennt, war aber im ersten Schritt manuelle Arbeit notwendig. Mit dieser zugegebenermaßen aufwändigen Vorarbeit haben wir nun aber den Grundstein für einen zukünftig automatisierten Ablauf gelegt. 

Wie sieht die Zusammenarbeit der WIBank mit Startups und Innovationshubs wie dem TechQuartier und Ryon aus? Welche Vorteile bringt diese Zusammenarbeit für die Bank und ihre Kunden? 

Die WIBank ist Gründungsmitglied des TechQuartiers in Frankfurt. Bei der Gründung fragte man Startups: „Was braucht Ihr, damit Ihr gründen und Euch weiterentwickeln könnt?“ Deutlich wurde in vielen Interviews: „Wir brauchen einen zentralgelegenen Ort, an dem wir uns physisch treffen können, an dem wir uns im Zweifel einmieten können und an dem uns geboten wird, was wir brauchen. Ein Ort, an dem Formate und Programme für Startups, Industrie, Banken und Wissenschaft angeboten werden, um allen Akteuren einen Mehrwert vom jeweils anderen zu bieten.“ Daraus ist das TechQuartier entstanden. Und es ist bis heute ein ganz wichtiger Ort für das Startup-Ökosystem in Hessen. Auch wir als WIBank wollen künftig noch enger mit Startups zusammenarbeiten und damit zweierlei bewirken: einerseits die Startup-Szene vor allem in Hessen weiter stärken und andererseits selbst von den innovativen Lösungsansätzen der jungen Unternehmen profitieren. 

Warum sehen wir eigentlich so wenig Frauen in der Gründerszene? 

Vielleicht liegt es daran, dass sich viele Frauen erst mal nicht gleich so viel zutrauen wie Männer. Diese sind oft risikofreudiger und sagen sich: „Ich probiere es mal aus, und wenn es nicht funktioniert, mache ich halt etwas anderes.“ Um dem entgegenzuwirken, unterstützen wir die Reihe „Female Founders“, bei der es darum geht, Frauen, die gründen, zu fördern. Wir unterstützen auch mit einem Mentorenprogramm und unterschiedlichen Info-Sessions. Außerdem beteiligen wir uns aktiv an der Initiative „CoCo – Frauen gründen“ von der KfW-Stiftung. Das Programm unterstützt Frauen bei der Umsetzung ihrer Gründungsideen. Sie sehen, es gibt vielfältige Initiativen, die dazu dienen, Frauen zur Gründung zu ermuntern. Ich bin zuversichtlich, dass sich in diesem Feld noch Einiges zum Positiven bewegt. 

Wie wirkt sich die Regulatorik auf die Arbeit einer Förderbank aus? 

Für alle Banken ist Regulatorik ein Pflicht-Thema. Als Teil der Helaba gelten für uns exakt die gleichen Bedingungen wie für jede EZB-beaufsichtigte Bank. Und das tut uns an vielen Stellen weh, weil natürlich immer zur Diskussion steht: „Widme ich mich jetzt dem regulatorischen Projekt oder dem, das die Kundenzufriedenheit erhöht oder die Effizienz steigert?“ Und im Zweifel geben wir dem regulatorischen Projekt den Vorzug. 

Auch Förderbanken kämpfen gegen Betrug und Cybercrime. Wie gut sehen Sie sich dagegen gerüstet? 

Wir sind hier gut aufgestellt, auch wenn es natürlich immer Raum für Verbesserungen gibt. Hier ist es auch von Vorteil, zu einer großen Landesbank zu gehören. So greifen wir auf die Ressourcen und die Expertise unserer Kollegen in der Helaba zurück. Das bringt uns gerade beim Thema IT-Security natürlich einen echten Mehrwert. Wir, als vergleichsweise kleine Förderbank mit rund 550 Mitarbeitenden, würden das in dieser Intensität gar nicht schaffen. Die Helaba hat hier ganz andere Möglichkeiten. 

Zum Thema Effizienzsteigerung durch Personalreduzierung und Fachkräftemangel: Wie locken Sie talentierte Leute zu sich ins Haus? 

Ich gebe zu, dass wir nicht gerade von Bewerbermassen überrollt werden. Aber das Thema „Purpose“, „Ich will was Gutes tun“, zieht schon, gerade in der Bankbranche. Wir sind die guten Banker. Diejenigen, die dafür sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger ihre Projekte und Träume verwirklichen können, und wir tragen dazu bei, dass unser Bundesland ein attraktiver, lebenswerter Ort ist und bleibt. Unseren Slogan „Wir machen Hessen stark“ setzen wir aktiv um. Und es ist wirklich befriedigend, in die begeisterten Gesichter zu schauen, wenn etwa der dringend benötigte Anbau eines Krankenhauses fertig wird, der mit WIBank-Mitteln finanziert wurde. 

Herrscht auch Konkurrenz unter den deutschen Förderbanken oder zur KfW? 

Nein, ganz und gar nicht. Im Gegenteil, der Austausch zwischen den IT-Chefs beispielsweise, ist fantastisch. Wir überlegen oft gemeinsam: „Wie kann man zusammenarbeiten oder wie hast du das gemacht?“, weil wir eben nicht in Konkurrenz stehen. Einen so guten Austausch habe ich in meiner Laufbahn bisher nicht erlebt.  

Welche Strategien und spezifischen Maßnahmen verfolgt die Bank, um ihre Position als innovative Förderbank zu stärken und weiter auszubauen? 

Wir haben vor etwa einem Jahr unsere Zukunftswerkstatt gegründet. Das ist unser Innovation Lab. Hier arbeiten wir an der agilen Förderbank von morgen, in der wir die Erwartungen und Bedürfnisse unserer Kunden stets genau kennen, erfüllen und vielleicht sogar übertreffen. Das schaffen wir nur, indem wir agile kundenzentrierte Methoden kennen und auch alle Mitarbeitenden befähigen, diese einzusetzen. Wir nutzen bei der Ideenfindung und Lösungsumsetzung natürlich auch die relevantesten technologischen Trends. Ganz wichtig ist uns dabei aber, immer von der Herausforderung oder Problemstellung her zu denken. Im Rahmen der Ideenentwicklung orientiert sich unsere Zukunftswerkstatt an ihrem Innovationsprozess. Dieser ist auf Basis der WIBank Spezifika entwickelt und hilft uns, Herausforderungen im Detail zu verstehen, möglichst frei viele potenzielle Ideen zu generieren, diese zu bewerten und in prototypische Innovationen umzusetzen. 

Welche innovativen Ideen sind bereits entstanden? 

Wir sind hier an diversen innovativen Themen dran, zum Beispiel mit unserer Landwirtschafts-App. Das ist eine KI-gestützte Anwendung in der Landwirtschaftsförderung, die Landwirtinnen und Landwirte bei der digitalen Erfassung ihrer Ackerflächen unterstützt.  Außerdem beschäftigen wir uns innerhalb unserer IT mit der Frage, wie wir neue Förderprogramme aufsetzen. Aktuell überlegt sich jedes Ministerium individuell, wie es sein Förderprogramm gestalten möchte. Wir denken derzeit über eine Art Baukastensystem nach, bei dem dann, je nach Bedarf, einzelne Elemente ausgewählt werden können. Das bringt natürlich einen unglaublichen Geschwindigkeitsgewinn und Kostenersparnis. Und dann sind wir, wie viele andere Banken auch, mit dem Thema interne Prozesse beschäftigt. Das bedeutet, wir analysieren, nehmen Schnittstellen heraus, standardisieren und automatisieren. Alles auch aus dem Grund, dass wir natürlich auch vor einer großen demografischen Herausforderung stehen: Uns werden in den nächsten Jahren viele gute Mitarbeitende verlassen und die werden wir in dieser Anzahl gar nicht ersetzen können. Insofern ist es absolut notwendig und essenziell, dass wir automatisieren. 

Judith Mandel


Mitglied der Geschäftsleitung Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen (WIBank)  

Seit dem 1. November 2022 ist Judith Mandel Mitglied der Geschäftsleitung der Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen (WIBank) und verantwortet hier das Risikomanagement, das Finanz- und Rechnungswesen sowie die IT und Organisation. Davor war sie für die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) in verschiedenen Management-Positionen tätig. Seit ihrem Studium der Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre bewegt sie sich im Expertenfeld des Risikomanagements öffentlicher Banken.

Wirtschafts- und Infrastrukturbank Hessen (WIBank)  

Gründung: 2009
Unternehmenssitz: Offenbach am Main
Mitarbeiter: 562
Neugeschäft: 3,1 Mrd. €
Bilanzsumme: 28,2 Mrd. €
Stand: 2023

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