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Bankenstreik in Irland – als die Pubs zu Banken wurden

Banking is necessary banks are not? Im Irland der 1970er-Jahre hat sich diese Behauptung als richtig erwiesen. Als dort für fast ein Jahr die Banken streikten, waren die wirtschaftlichen Folgen überschaubar. Denn die Rolle der Banken übernahmen einfach die lokalen Pubs.


Das Gebäude Bank of Ireland in Dublin.
Das Gebäude der Bank of Ireland in Dublin. Bildnachweis: iStock.com/stevenallan

Wenn die Fluglotsen streiken, sitzen tausende Reisende frustriert am Boden fest. Ein Bahnstreik schadet nicht nur den Passagieren, sondern der gesamten Wirtschaft. Noch dramatischer ist die Lage, wenn in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen die Mitarbeiter streiken. Doch was würde eigentlich passieren, wenn von heute auf morgen alle Banken die Arbeit niederlegen? In Irland ist genau das zwischen 1966 und 1976 passiert – fast ein Jahr lang kam es zum Bankenstreik.

Organisiert wurde der Bankenstreik von der Gewerkschaft Irish Bank Officials‘ Association (IBOA). Der längste der insgesamt drei Streiks dauerte von Mai bis November 1970. Er betraf alle der „associated banks”, zu denen die Bank of Ireland, die Allied Irish Banks, die Northern Bank und die Ulster Bank gehörten und die als Haupt- Clearing-Banken mit 640 Filialen etwa 60 Prozent der Bankeinzahlungen im Land verarbeiteten.  

Ein solcher Bankstreik war in der modernen Geschichte eine Neuheit. Deshalb setzten unmittelbar nach dem Bankenstreik die Bank of Ireland und die irische Regierung Untersuchungen der volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen an. Die Ergebnisse verblüfften die Experten: Statt Massenarbeitslosigkeit, einem Zusammenbruch der Geldversorgung sowie von Industrie und Handel schienen die Auswirkungen des Bankenstreiks von 1970 tatsächlich erstaunlich begrenzt zu sein.  

Ein Do-it-yourself-Finanzsystem

Der Ökonom Antoin Murphy berichtet, dass während des Streiks das bestehende institutionalisierte Bankensystem durch „ein hochgradig personalisiertes Kreditsystem ohne festen Zeithorizont für die endgültige Verrechnung von Forderungen und Krediten“ ersetzt wurde. Die Not machte die irische Bevölkerung erfinderisch. Sie tauschten auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens untereinander Schecks aus und ersetzten damit effektiv das Bargeld. Der ehemalige Bankangestellte Ernie McElroy berichtete, dass viele der Schecks, die er nach dem Streik bearbeiten musste, auf den Rückseiten von Zigarettenschachteln und sogar auf Toilettenpapier ausgestellt waren.  

Eine besondere Rolle in diesem Do-it-yourself-Finanzsystem spielten die lokalen Pubs. Denn diese übernahmen, während die Banken geschlossen waren, oftmals das Ausfallrisiko für die Schecks. Schließlich waren sie als lokale Zentren des gesellschaftlichen Lebens besonders gut in der Lage, die Kreditwürdigkeit der Zahler zu beurteilen. 

Ein Sack mit Schecks im Kamin

Ein solches System ist zwar erfinderisch, aber leider auch fehleranfällig. So geht aus den Untersuchungen hervor, dass in dieser Zeit das Betrugsniveau um das Zehnfache anstieg. Laut Michael Fogarty, der den offiziellen Untersuchungsbericht über den Streik schrieb, hatten die Ereignisse auch negative Konsequenzen für den irischen Aktienmarkt. Denn der Umfang an Transaktionen in dieser Zeit sank um etwa ein Drittel. Und da Eigentumsdokumente meist zur Sicherheit in Banken aufbewahrt wurden, waren viele Immobiliengeschäfte praktisch nicht mehr möglich. Auch einige Firmeninsolvenzen wie etwa beim Transportunternehmen Palgrave Murphy resultierten aus den Streiks.  

Eine ganz besonders bittere Erfahrung machte einer mündlichen Überlieferung zufolge aber ein Pub-Besitzer aus Dublin. Da er im Sommer des Streiks nicht wusste, wo er am besten die zahlreichen wertvollen Schecks aufbewahren soll, lagerte er sie einfach säckeweise im Kamin – ohne aber seiner Frau Bescheid zu sagen. Als er am ersten kalten Septembertag nach Hause kam und einen brennenden Kamin vorfand, erlitt er einen Herzinfarkt.  

Was können Kreditinstitute aus dem irischen Bankenstreik lernen? Dass Finanzdienstleistungen kein alleiniges Vorrecht der Banken sind. Wie die neue Fintech- und Bigtech-Konkurrenz bereits gezeigt hat, können diese Services von den unterschiedlichsten Unternehmen angeboten werden – sogar von Pubs. Es liegt an den traditionellen Banken, sich für ihre Kunden unersetzbar zu machen.