Pluszeichen überall

Aktien – im Plus. Renten – im Plus. (Also ausnahmsweise meine mich mal die echten Renten, nicht irgendwelche Rentenpapiere, sondern die Renten eben, die Altersbezüge. Für die deutschen Rentenbezieher wurde gestern ein Plus von 2,3 Prozent im kommenden Jahr in Aussicht gestellt.) Und die Beteiligung privater Gläubiger am Rettungspaket für Griechenland (landläufig als „PSI“ bekannt)…


Aktien – im Plus. Renten – im Plus. (Also ausnahmsweise meine mich mal die echten Renten, nicht irgendwelche Rentenpapiere, sondern die Renten eben, die Altersbezüge. Für die deutschen Rentenbezieher wurde gestern ein Plus von 2,3 Prozent im kommenden Jahr in Aussicht gestellt.) Und die Beteiligung privater Gläubiger am Rettungspaket für Griechenland (landläufig als „PSI“ bekannt) – im Plus (heißt jetzt nämlich „PSI Plus“). Natürlich auch die Schulden – im Plus. Valuta Montag (passend zu Halloween…) werden die Schulden Amerikas erstmals höher sein als die Jahreswirtschaftsleistung des Landes. Auch die Bevölkerung – im Plus. Jede Sekunde kommen statistisch (netto) 2,6 Menschen auf die Welt. Am Montag wird der sieben Milliardste Erdenbürger erwartet. Komisch ist allerdings, dass die englischsprachige Uhr um exakt 746.105 Menschen nachgeht…

Am plussendsten von allem waren aber gestern die Vorzeichen an den Aktienmärkten. Mehr als 5% im DAX, über 6% im EuroStoxx, um die 3% in den USA. Bei der Suche nach den Ursachen für diese Entwicklung stolpert man über ein paar erfreuliche Unternehmensergebnisse und halbwegs ermutigende Konjunkturindikatoren. Letztendlich aber dürften rund 5,34 Prozentpunkte des 5,35%igen Anstiegs im DAX auf die Gipfelbeschlüsse von Brüssel zurückzuführen sein. Es war ein skurriles Erlebnis: An den Finanzmärkten geht total die Party ab. Liest man allerdings die Einschätzungen bekannter und weniger bekannter Analysten zu dem Gipfelkommunique, so fiel die Bewertung nahezu einstimmig kritisch aus: „So weit, so gut. Viele Details fehlen noch. Maßnahmenkatalog womöglich nicht ausreichend.“ waren die am häufigsten genannten Warnhinweise. Liest man dann auch noch die Einschätzungen der Kommentatoren bekannter und weniger bekannter Printmedien, so geben sich diese überwiegend fatalistisch und beschwören den Anfang vom Ende der Europäischen Währungsunion.

Wer hat nun recht? Alle. Die Märkte, weil sie ihre Meinung jederzeit wieder ändern können. Die Analysten, weil deren Hinweise durchweg berechtigt sind. Und die Kommentatoren, weil nur kritische Berichterstattung Auflage (neudeutsch: Clicks) generiert und damit das BIP steigert. Es gibt Hinweise, wonach die Erwartungshaltung vieler Marktteilnehmer im Vorfeld des Gipfel-Marathons sehr pessimistisch war. Kaum einer rechnete mit einem großen Wurf. Das, was letztlich geliefert wurde, war aber dann doch ein ziemlich großer Wurf und damit eine positive Überraschung für die allermeisten von uns. Diese Erleichterung mündete in eine positive Marktstimmung, und alsbald wollte niemand den Start dessen verpassen, was möglicherweise als der „Wendepunkt in der europäischen Schuldenkrise“ in die Geschichtsbücher eingehen wird. Bei aller Europhorie – lassen Sie uns einen Blick unter die strahlende Oberfläche riskieren. Nur ein Beispiel: Die Kurse italienischer Staatsanleihen stiegen in den Vormittagsstunden rasant an, die Rendite 10jähriger Papiere fiel um 20 Bp (während jene für deutsche Bunds um 10 Bp anstieg). Im Tagesverlauf bröckelten die Kursgewinne jedoch nahezu komplett wieder ab. Es gilt also, weiterhin wachsam zu bleiben. Für heute jedenfalls erscheint eine Korrekturbewegung zu den gestrigen Kursentwicklungen an den Finanzmärkten mehr als wahrscheinlich.

Ich werde mich jetzt für eine Woche aus dem Tagesgeschehen zurückziehen. Im Anschluss an den G20-Gipfel Ende kommender Woche bin ich wieder für Sie da. Vielleicht mach ich dann eine Umfrage unter allen bis dahin 7 001 542 637 Erdenbürgern und untersuche, wer mit ein paar Tagen Abstand die Gipfelbeschlüsse immer noch gut findet…

Foto von Dario Egidi – www.istockphoto.de