Professionelles Working-Capital-Management kann Insolvenzen verhindern

Ob Air Berlin oder Toys`R`Us: Nachrichten über Insolvenzen von großen, bekannten Marken beherrschen häufig wochenlang die Medien. Doch viele der mehr als 10.000 Unternehmensinsolvenzen im ersten Halbjahr 2017 verlaufen ohne großes Aufsehen. Dabei sind die Folgen enorm.


Zahlreiche Insolvenzen kleiner bis mittlerer Unternehmen verlaufen ohne großes öffentliches Aufsehen – doch ihre Folgen sind enorm. Bildnachweis: iStock.com/erhui1979

Die Forderungen der Gläubiger aus beantragten Unternehmensinsolvenzen beliefen sich nach Angaben der Amtsgerichte in den ersten sechs Monaten 2017 auf mehr als neun Milliarden Euro. Auch wenn die Ursachen einer Insolvenz meist vielschichtig sind, so ist die Zahlungsunfähigkeit doch häufig auf Management-Fehler zurückzuführen: Eine Umfrage unter Insolvenzverwaltern (Quelle: Euler Hermes und Zentrum für Insolvenz und Sanierung/Universität Mannheim) ergab, dass fehlendes Controlling (79 Prozent Zustimmung), Finanzierungslücken (76 Prozent Zustimmung) und unzureichendes Debitorenmanagement (64 Prozent Zustimmung) die meist genannten Insolvenzursachen sind.

Alle drei Faktoren in Summe bestätigen damit die fehlende Liquiditätssteuerung als Hauptgrund für die Insolvenz. Das professionelle Finanzmanagement ist daher in jedem Unternehmen, egal welcher Größe, von höchster Bedeutung. Im Mittelpunkt sollte, gerade für verarbeitende Unternehmen und Händler, die Optimierung des Working Capital stehen. Unter Working Capital versteht man die Differenz aus Umlaufvermögen und kurzfristigen Verbindlichkeiten. Ist das Ergebnis positiv, heißt dies, dass Umlaufvermögen (oder ein großer Teil davon) mit langfristig zugänglichem Kapital finanziert wird. Ein negatives Ergebnis bedeutet, dass das Umlaufvermögen nicht ausreicht, um alle kurzfristigen Verbindlichkeiten auszugleichen. Als wichtige Controlling-Kennzahl sollten Unternehmen deshalb immer das Working Capital im Blick haben und laufend optimieren.

Damit lassen sich bereits viele Insolvenzursachen im Keim ersticken, gerade auch, weil der Markt immer mehr Finanzierungsoptionen anbietet, auch jenseits des Bankkredites. Diese Optionen, wie zum Beispiel Factoring oder das Warenstreckengeschäft – neudeutsch „Finetrading“ genannt – sind bestens geeignet, das Working Capital professionell zu managen. Im Gegensatz zur anglo-amerikanischen Geschäftswelt steckt das sogenannte „Trade Finance“ in Form von Finetrading in Kontinentaleuropa das Volumen betreffend allerdings noch in den Kinderschuhen.

Finetrading bringt kurzfristig Liquidität – zusätzlich zur Hausbank-Linie

Dabei bietet sich gerade das Finetrading an, Working Capital langfristig sicher aufzustellen, stellt es doch kurzfristige Liquidität für Einkauf, Lagerhaltung und Absatzförderung bereit: Als unternehmerischer Partner und Zwischenhändler übernimmt der Fintrader bis zu 100 Prozent des Beschaffungsvolumens. Der Finetrader erwirbt also die Waren für den Händler beim Lieferanten und räumt dem Händler dann ein Zahlungsziel für den Weiterverkauf ein. Über die durch den Finetrader bereitgestellte Einkaufslinie kann das Unternehmen flexibel Bestellungen abwickeln. Zusätzliche Aufträge können damit ohne Liquiditätsverlust bearbeitet werden und Bestandteile des Lagers so kurzfristig in Liquidität umgewandelt werden.

Damit lässt sich gerade bei Unternehmen, die bei hohem Rohertrag rasch wachsen (z.B. Fashion- oder Spielzeughändler, aber auch Maschinenbauer) das Working Capital optimieren. Speziell in diesen Bereichen wirken moderne Warenstreckengeschäfte am effektivsten – neben den herkömmlichen Finanzierungslösungen wie beispielsweise Banklinien oder Forderungsverkauf. Die Vorteile einer Einkaufs- und Absatzfinanzierung für den Hersteller beziehungsweise Händler sind folgende:
1. Mit der zusätzlichen Liquidität können beim Lieferanten Skonti gezogen werden.
2. Die Beziehung zu den Lieferanten verfestigt sich durch Mehrabnahme und Mehrauslastung.
3. Das externe Rating (etwa über Euler Hermes) der Kunden verbessert sich.
4. Bilanzkennziffern (etwa Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen versus Bankverbindlichkeiten) können optimiert werden.

Auswahl der Partner muss überlegt sein

Mit der Einkaufsfinanzierung lässt sich darüber hinaus eine vorausschauende Finanzplanung umsetzen und alternative Liquiditätsquellen erschließen, bevor ausgeschöpfte Banklinien und hohe kurzfristige Lieferantenforderungen das weitere Wachstum hemmen oder die Zahlungsunfähigkeit droht. Da Finetrading ein relativ junger Markt ist, gilt es für Unternehmen, bei der Auswahl der Partner auf einige Kriterien zu achten, zum Beispiel bei der Art der Refinanzierung: Es ist beispielsweise von Vorteil, wenn der Finetrader dabei auf Eigenmittel zurückgreifen kann und nicht über Warenkreditversicherungen refinanzieren muss.