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Sell in May and Go Away?

Es gibt diese bekannte Weisheit „Sell in may and go away“.  Statistisch gesehen mag diese Binsensweisheit ihre Berechtigung haben – bis September schließen die Aktien schlechter ab als in den verbliebenen sieben Monaten des Jahres. Doch ist dies ein zwingender Automatismus? Welche Faktoren bestätigen den Wahrheitsgehalt dieses Spruches? Und welche nicht? Eines vorweg: Sämtliche Aussagen…


Es gibt diese bekannte Weisheit „Sell in may and go away“.  Statistisch gesehen mag diese Binsensweisheit ihre Berechtigung haben – bis September schließen die Aktien schlechter ab als in den verbliebenen sieben Monaten des Jahres. Doch ist dies ein zwingender Automatismus? Welche Faktoren bestätigen den Wahrheitsgehalt dieses Spruches? Und welche nicht?

Eines vorweg: Sämtliche Aussagen basieren auf dem Datenstand vom 30.04.2015. Bis zum Erscheinen des Artikels können sich deshalb bestimmte Überlegungen bereits überholt haben, sind bestätigt worden oder haben sich als falsch erwiesen. Grund für diese sehr stichtagsbezogene Betrachtung ist die Tatsache, dass ich selbst ausschließlich nach den
Signalen eines technischen regelbasierten Modells mit Stichtag Monatsende handle.

Zu Zinsmärkten und Währungen

Fakt: Am 30.04. wurde ein Verkaufssignal für Rentenpapiere ausgelöst, da das Modell von fallenden Zinsen auf steigende Zinsen gewechselt hat. Ebenfalls wurde ein Verkaufssignal beim US-Dollar ausgelöst. Kaufsignale für andere Währungen liegen nicht vor.
Folge: Sämtlich Rentenbestände werden/wurden am 4.05. veräußert und gegen Cash/Geldmarkt umgetauscht. Gleichzeitig wurden die währungsabhängigen Anlagen in Euro umgetauscht.

Überlegungen

Der heftige Anstieg der Umlaufrendite von 0,05 % am 21.04. bis 0,28 % am 30.04. ist prozentual betrachtet ohne Beispiel. Noch nie hat sich die Umlaufrendite verfünffacht, was allerdings auch daran liegt, dass die Ausgangsbasis noch nie so niedrig lag. Betrachtet man den Anstieg rein wertmäßig, so relativiert sich der Anstieg wieder, denn 23 Basispunkte sind für sich genommen nicht wirklich besorgniserregend. Wäre da nicht der Zeitpunkt und die Tatsache, dass eben an diesem 30.04. der seit Anfang des vorigen Jahres bestehende Abwärtstrend durchbrochen wurde. Nun gibt es genügend Beispiele für Fehlsignale bei Trendbrüchen und viele Marktteilnehmer beschäftigen sich sowieso nicht mit Markttechnik, aber in der Kombination mit anderen Fakten könnte das Ganze weit mehr bedeuten als nur ein kurzes Intermezzo.
Natürlich wissen alle Beteiligten, dass ein Zinsanstieg das Letzte ist, was die verschuldeten Staaten dieser Welt brauchen können. Schäubles schwarze oder auch rote Null wäre Makulatur, wenn die im Moment gesparten 30 Mrd. Euro pro Jahr wieder als Zinszahlungen aufgebracht werden müssten. Von anderen Ländern ganz zu schweigen. Nun pumpt aber die EZB jeden Monat Milliarden in das System, kauft Anleihen auf und müsste eigentlich die Renditen weiter drücken. Wieso also jetzt ein Zinsanstieg? Und wieso scheint dieser nur die Staatsanleihen zu betreffen? Denn zumindest am 30. April konnten Fonds mit Unternehmensanleihen ihre Kurse weitestgehend halten, während die Fonds mit öffentlichen Anleihen stark nachgaben. Oder ziehen (zogen) die Unternehmensanleihen in der 1. Maiwoche nach? Erleben wir gar den Beginn eines Paradigmenwechsels und zukünftig gelten Unternehmensanleihen von Top-Unternehmen relativ gesehen als sicherer als die Anleihen europäischer Staaten? Wenn ja, bedeutet dies, dass ein möglicher oder wahrscheinlicher Grexit weit stärkere Auswirkungen hätte als erwartet? Weniger für die Unternehmen als vielmehr für das Thema „Europa“ und somit für die Länder? Schließlich unterscheidet sich die Theorie ja immer dann von der Praxis, wenn es darauf ankommt. Jeder Dax-Anleger hätte unabhängig vom Einstieg bis 10.04. einen Gewinn erzielen müssen, wäre er investiert geblieben und hätte die Verlustphasen ausgesessen. Die Praxis sieht, wie wir wissen, aber anders aus. Der Mensch reagiert nun mal nicht nach Wissen oder Tatsachen, sondern eher nach Gefühl, nach Gier und Angst. Dieser psychologische Effekt könnte Auswirkungen haben, die wir uns heute noch nicht vorstellen können. Zum Nachdenken sollte auch anregen, dass ja schon der erste Rentenfonds seine Anteilsrücknahme ausgesetzt hat, da die im Bestand befindlichen Papiere mangels Nachfrage nicht veräußerbar waren. Sind Rentenfonds also die neuen offenen Immobilienfonds? Welche Auswirkungen hätten massive Verkäufe am Rentenmarkt? Da machen sich ja auch der IWF und die ESMA so ihre Sorgen.

„Schwarze Schafe“ kommen selten von heute auf morgen

Von Menschen verursachte „Schwarze Schwäne“ kommen selten von heute auf morgen. Oder warum ist der DAX in der Zeit vom 4.09. bis 10.09 2001 von 5208 auf 4670 Punkte gefallen? Nur Zufall? Warum fielen die Kurse schon im Januar 2008 und taten dies mit einer kurzen Erholung das ganze Jahr über – also schon reichlich vor Lehman, Fannie Mae und Freddie Mac? Sollte in diesem Jahr noch etwas passieren, was natürlich wieder vollkommen unvorhersehbar geschieht, dann wäre es nicht unwahrscheinlich, wenn der 30.04. das Startsignal für eine entsprechende vorauseilende Marktreaktion gewesen wäre.
Leider verfüge ich nicht über eine Glaskugel und deswegen kann es natürlich auch ganz anders kommen und die Entwicklung am Zinsmarkt ist nur eine winzige technische Reaktion. Aber mit solchen Gedanken muss ich mich zum Glück nicht beschäftigen.
Wer regelbasiert anlegt fährt bei grün und hält bei rot. So einfach ist das (Fehlsignale inklusive).

Wie entwickeln sich der Dollar und die USA

Beim US-Dollar gehen fast alle Marktteilnehmer von steigenden Kursen aus. Lediglich Sal. Oppenheim spricht von einer Überbewertung des Dollars. Auch sprechen die Wirtschaftsdaten nicht unbedingt für eine Zinserhöhung in den USA, die ja allgemein als Grund für einen starken Dollar herhalten muss. Kein Wunder, bei einer Arbeitslosenrate von rund 23 % (einschließlich der aus der offiziellen Statistik fallenden Bezieher von Lebensmittelmarken und anderer Dauerarbeitsloser, s. www.shadowstats.com) dürfte es das Land schwer haben, wieder aus eigener Kraft auf die Beine zu kommen, zumindest inoffiziell. Insofern könnte es auch schon mit der Herrlichkeit des Dollars vorbei sein. Und wie würde sich eigentlich ein Euro entwickeln, wenn Europas Sorgenkind Nr. 1 oder auch mehrere davon nicht mehr im Euro wären? Ich weiß, das ist jetzt ganz quer gedacht, aber…

Zu Aktienmärkten

Fakt: Am 30.04. wurden für die im Bestand befindlichen europäischen Märkte Verkaufssignale ausgelöst. Die Märkte China, Hongkong, Osteuropa und Lateinamerika weisen Kaufsignale auf. Da aber die verfügbaren Fonds keine Kaufsignale ausweisen und schon wieder gedreht haben, wird in diese Märkte ebenfalls nicht investiert.
Folge: Die bestehenden Aktienfondspositionen werden/wurden am 4.05. veräußert. Sämtliche Gelder werden in Cash/Geldmarktfonds investiert (nur Euro).

Überlegungen

Im Grunde passt die Situation an den Aktienmärkten zur Entwicklung am Zinsmarkt. Die Kursverluste spiegeln die neue Unsicherheit wider, die die Euphorie in Europa nach Beginn der Draghi-Festspiele anscheinend ablöst. Vielleicht dämmert es nun auch noch den letzten Optimisten, dass die ganzen Maßnahmen nicht dazu führen werden, die Situation zu lösen sondern nur heraus zu zögern und zu verschlimmern, das nennt man wohl „politische Lösung“. Da uns nun der Mai ins Haus steht, könnte sich die Abwärtsbewegung verstärken. Die richtig schlechten Monate allerdings kommen erst noch (s. www.seasonalcharts.com).
Dass der Dax noch genug Potenzial nach unten hat, zeigt der abgebildete Chart. Je nach Betrachtungszeitraum kann der Dax rein charttechnisch bis in die Gegend von 6500 Punkten fallen, was noch einem Verlust-Potential von rund 43 % entspricht. Unmöglich? Unwahrscheinlich? Muss jeder selber entscheiden, aber unser Modell hält es da lieber mit der Börsenweisheit, dass Gewinnmitnahmen noch nie geschadet haben und Verlustbegrenzung die Basis für Outperformance darstellt. Außerdem wusste schon in den 90er Jahren ein japanischer Autohersteller, dass nichts unmöglich ist. Und neu einsteigen können wir ja immer noch.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen gute Entscheidungen.

Bildnachweis: Maksim Koval via istockphoto.de