Wir brauchen eine Trennungskultur

Während der Konzeption dieses Beitrags führte ich ein Telefongespräch mit einer Freundin und Kollegin aus dem HR-Bereich: „Du, ich schreibe über Trennungskultur!“ „Aha…fein…ist das eine Kultur?“ „Naja, bei uns wohl nicht, aber sie könnte es sein!“


Trotz der enormen Risiken für Image und Arbeitsklima, hat sich in vielen deutschen Unternehmen bisher noch keine Trennungskultur etabliert. Bildnachweis: iStock.com/wildpixel

Das Gespräch bestätigte meinen Eindruck, dass das Thema Trennungskultur und dessen Bedeutung im Business noch nicht so präsent sind. Die Anzahl der Beschäftigten im deutschen Kreditgewerbe hat sich laut einer Erhebung von Statista von 774.550 im Jahr 2000 auf 627.150 im Jahr 2015 reduziert. Knapp 150.000 Menschen in 15 Jahren, 10.000 pro Jahr und damit knapp 30 am Tag irgendwo in Deutschland. Und realistisch gesehen wurden noch viel mehr Menschen entlassen, weil wir durchaus Stellen durch Fluktuationen nachbesetzen. Und der Abbau geht weiter.

Durch Filialschließungen, Optimierung von Prozessen, Digitalisierung, Kostenoptimierungen, Fusionen etc. wird sich die Anzahl der Beschäftigten im Bankengewerbe weiter reduzieren. Und Sie als Manager sollten alles versuchen, um Ihre Abbauziele zu erreichen. Viele von uns haben doch gerade jetzt FTE- oder MAK-Vorgaben in den Zielvereinbarungen. Wie erreichen Sie diese? Durch Sozialauswahl begleitet von den Betriebsräten? Oder wie Jack Welch in seinem Buch „Was zählt“ beschreibt: Die zehn schwächsten Mitarbeiter gehen pro Jahr? Oder durch Windhundprämien für diejenigen, die als erste gehen wollen? Durch geschickte Standortkonsolidierungen, in der Hoffnung, dass nur ein Teil der Mitarbeiter umzieht? Die Strategie zum Personalabbau ist vielfältig, aber am langen Ende stehen hinter allen Zahlen Menschen. Und mit genau diesen Menschen muss „man“ reden.

Trennung als Managementaufgabe

Wer ist „man“ in Ihrem Unternehmen? Ist es der HR-Bereich? Oder der direkte Vorgesetzte? Oder haben Sie es zur Managementaufgabe gemacht? Dies führt uns zwangsläufig zum Thema Kultur und zu den Werten Ihres Unternehmens. Trennung sollte meiner Meinung nach immer eine Managementaufgabe sein. Denn diese Aufgabe ist schwer, manchmal sogar sehr schwer. Hinter dem Menschen, mit dem sie reden, steht unter Umständen eine Familie, der die Existenzgrundlage entzogen wird. Oder aber das Selbstbild des Mitarbeiters und Ihr Fremdbild auf die Arbeitsleistung gehen sehr weit auseinander. Vielleicht offenbart Ihnen die Kollegin aber auch: „Ich bin schwanger!“ Dies kommt in strategischen Abbauprogrammen recht häufig vor. Vielleicht offenbart Ihnen der Kollege aber auch eine verschwiegene Schwerbehinderung.

All das kann man als Störungen des Trennungsprozesses bezeichnen, und sicher ist das Führen der Gespräche vor diesem Hintergrund nicht erstrebenswert. Auch die (Ver-)Störung im Umfeld ist nicht zu verachten. Es gibt nämlich auch immer diejenigen, die weitermachen sollen und müssen. Wenn das Trennungsgespräch – auch mit den zahlreichen Versprechungen, die ein Sozialplan eventuell beinhaltet – nicht gut verläuft, dann hat das Auswirkungen auf die restliche Truppe. Die fragt sich doch: Wie soll das gehen, ohne Ersatz? Arbeiten wir nicht schon genug? Wer ist der Nächste? Oder geht sogar auch noch der Chef? Verlassen die Ratten das sinkende Schiff? All diese Gedanken im Team beeinflussen die Arbeitsleistung und Motivation der Verbleibenden. Schlechtes Trennungsmanagement zeigt sich auch in der ansteigenden Krankenquote. Mitigierend kann „Freiraum für Gespräche“ einkalkuliert werden und zwar als Teil der Trennungskultur.

„Sie sind gefeuert!“ – ein schwieriges Gespräch

Auch die Gesprächsführung in der Trennung kann gecoacht werden. Haben Sie schon einmal überdacht, wie viele Sätze Sie sagen, bis Sie den entscheidenden Satz aussprechen: „Hiermit kündige ich Ihnen!“? Auch die Frage, wann ein solches Gespräch geführt wird, kann Teil der Kultur sein. Führen Sie diese Gespräche immer am Freitag um 18:00 Uhr, damit niemand etwas mitbekommt und die Aufgabe vor dem Wochenende erledigt ist? Verbunden mit der Hoffnung, dass die Familie und die Freunde des Mitarbeiters bzw. der Mitarbeiterin sicher Aufbauarbeit leisten werden? Oder führen Sie diese Gespräche am Montag um 10:00 Uhr in vollem Bewusstsein, dass Sie nun die ganze Woche Gespräche mit den verbleibenden Teams führen werden und dem einzelnen „Abbaukandidaten“ fünf Tage lang über den Weg laufen müssen? Haben Sie eine Outplacement- und Newplacement-Beratung im Unternehmen? Gibt es eine Transfergesellschaft? All diese Überlegungen können Teil der Trennungskultur in Ihrem Unternehmen sein.

Ich selbst bin auf dieses Thema durch das Buch „Trennungs-Kultur und Mitarbeiterbindung“ von Dr. Laurenz Andrzejewski und Hermann Refisch aufmerksam geworden. Ein Buch, das Ihren Blickwinkel verändern wird. Durch die vielen Beispiele aus der Praxis ist das Buch sehr lebensnah und kann Ihnen dabei helfen, in Ihrem Unternehmen eine Trennungskultur zu etablieren.