Wissensvorsprung durch meckern

Guten Morgen, heute ist Montag, der 3. Januar 2011 ! Krise: Jawoll, auch im Jahr 2011 heißt das erste Wort "Krise", die Eurozone steht gleich wieder im Mittelpunkt Kraftlos: Nach herrschender Meinung wird der Euro in den ersten Wochen deutlich schwächer tendieren Kritik: Chinas Politikstil bleibt befremdlich, bislang aber ziemlich erfolgreich Willkommen im Jahr 2011,…


Guten Morgen, heute ist Montag, der 3. Januar 2011 !

  • Krise: Jawoll, auch im Jahr 2011 heißt das erste Wort "Krise", die Eurozone steht gleich wieder im Mittelpunkt
  • Kraftlos: Nach herrschender Meinung wird der Euro in den ersten Wochen deutlich schwächer tendieren
  • Kritik: Chinas Politikstil bleibt befremdlich, bislang aber ziemlich erfolgreich

Willkommen im Jahr 2011, liebe Leser, liebe Esten und liebe Wutbürger. Fangen wir nach ein paar Tagen der verführerischen Ruhe doch einfach gleich wieder mit dem Meckern an. Ausgangslage ist ein EUR-USD-Kurs von um die 1,30, ein DAX in der Nähe von 7.000 und 10-Jahres-Renditen für Deutschland bei 3,00%. Steigt EUR-USD auf 1,40, brechen unsere Exporte ein und wir stehen vor dem stärksten Abschwung seit der letzten Rezession. Fällt EUR-USD auf 1,20 droht Hyperinflation und die EZB dreht durch. Steigen die Aktienmärkte weiter, meckern wir, weil wir noch immer nicht auf den Zug aufgesprungen sind. Fallen die Aktien, jammern wir, weil das ja so kommen musste. Steigen die Renditen weiter, fürchten wir einen Einbruch der Investitionstätigkeit. Fallen die Renditen wieder, beschweren wir uns über die erbärmlichen Erträge im Bereich risikoloser Anlagen. Damit, so denke ich, sind die wesentlichen über die kommenden zwölf Monate diskutierten Argumente erschöpfend abgehandelt. Und Sie, liebe Leser, genießen gleich zu Jahresbeginn einen unersetzlichen Wissensvorsprung.

Mit dieser Technik folgen wir einer Vorgabe des KiKa-Formats "Wissen macht Ah!". Dort erfuhren wir ausgerechnet einen Tag vor Weihnachten, warum Durchfall flüssig sei – ein im Hinblick auf die anstehende Entenbraten-Marzipan-Kombination unschätzbarer Informationsvorsprung. Ebenfalls einen Tag vor Heiligabend erfuhren 24/7-Marktbeobachter, dass Fitch sein Rating für Portugal um eine Stufe von AA- auf A+ senkte. Doch dies war beileibe nicht die einzige Ratingveränderung der vergangenen Wochen. Während meiner Abwesenheit seit Mitte Dezember kam es im Bereich der EWU-Peripherie-Staaten zu handgezählten acht (!) Bewertungsherabstufungen: Griechenland erhielt sowohl von Moody’s als auch von Fitch die Drohung einer baldigen Abwertung ("review for possible downgrade"). Irland wurde von Fitch um drei, von Moody’s um gleich fünf Stufen abgewertet. Portugal bezog von Moody’s eine Abwertungsdrohung und von Fitch das bereits beschriebene Downgrade. Spanien erhielt von Moody’s ebenfalls eine Abwertungsandrohung, während Belgien mit einem "negativen Ausblick" von S&P vergleichsweise glimpflich davon kam.

Wir können uns ja mal einen Überblick über die Ratingveränderungen während der bisherigen Schuldenkrise verschaffen: Griechenland wurde seit 2007 von Moody’s um sechs Stufen und von S&P um fünf Stufen jeweils auf "Junk" abgewertet; die Bewertung durch Fitch liegt nach lediglich vier Herabstufungen nur wenige Millimeter über der "Schrottschwelle". Irland erwischte es noch stärker (7/5/7 Stufen schwächer bewertet), genießt wegen seines Triple-A-Ausgangsniveaus jedoch noch Investment-Grade Status. Portugal (2/3/2) und Spanien (1/2/1) wurden bislang weitgehend verschont. Nicht weniger als sieben der zwölf Bewertungen (Moody’s / S&P / Fitch für GR/IR/ PO/SP) liegen momentan auf Wiedervorlage für ein Downgrade. Wir sollten also davon ausgehen, dass der sog. "Ratingdrift" auch in den kommenden Wochen noch deutlich nach unten gerichtet sein wird.

Für den Finanzmarktausblick 2011 ist die Entwicklung der Schuldenkrise in Europa sicherlich von zentraler Bedeutung. Portugal könnte alsbald unter den EFSF-Rettungsschirm schlüpfen müssen (knapp 10 Mrd. Refinanzierungsvolumen alleine im ersten Halbjahr). Es gilt daher als Konsens, dass sich der Euro in den ersten Monaten des Jahres von seiner schwachen Seite zeigen wird. Bereits die nächsten Tage werden uns zeigen, inwieweit insbesondere Real Money Investoren nach dem Öffnen ihrer Bücher irgendein Interesse an hochrentierlichen Peripherie-Anleihen haben werden. Von der Euro-Stimmung dürfte dann auch abhängen, ob die Bundrendite weiter nach oben oder zunächst wieder nach unten tendiert (wir antizipieren Letzteres). Was hält das Jahr 2011 sonst noch für uns bereit? Einen stabilen Wachstumsausblick; nach oben gerichtete Inflationsrisiken; eine wie in einem Computerspiel von staatlicher Hand geleitete Wirtschaft in China; zwölf Monate Dauerwinter und vielleicht eine Frauenquote für Sinfonieorchester und Gladiatorenfilme. Reichlich Anlass also zum fortwährenden Meckern. Wir werden Sie dabei wie immer begleiten und unterstützen. Willkommen zurück, willkommen daheim…

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Dies ist ein humoristischer Marktkommentar und keine Anlageberatung. Die Einschätzungen des Autors beruhen auf Informationen, die auf öffentlich zugänglichen, als verlässlich eingeschätzten Informationsquellen basieren. Weitere Informationen finden Sie im Disclaimer.
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Kornelius Purps
Fixed Income Strategist
Director
MRE4FI
UniCredit Research

kornelius.purps@unicreditgroup.de

Kornelius Purps Corporate & Investment Banking
UniCredit Bank AG

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